Mittelaltercharme & Hagelslag – unsere Fahrradreise durch Belgien
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Nach unserer Tour durch Deutschland und den Niederlanden, sind wir nun im Land #3 unserer Fahrradweltreise angekommen – Belgien. Dort erwarteten uns wieder schöne Landschaften, herzliche Leute, Mittelaltercharme und Hagelslag…
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Ups, schon vorbei… Wir hatten die Niederlande trotz gemütlicher Fahrweise mit teilweise bis zu 60km/h Gegenwind verhältnismäßig schnell hinter uns gelassen. Kaum sahen wir das Schild, welches den Grenzübergang zu Belgien ankündigte, fiel uns gleich etwas auf.
Waren die Straßen und Fahrradstreifen für Radler die letzten Tage super ausgebaut und asphaltiert, sahen diese hier nun etwas ausgefranster aus. Was allerdings nicht heißen soll, dass es schlecht zu fahren war – es sah nur eben nicht mehr so akkurat, wie bei den niederländischen Nachbarn aus.
Ansonsten gab es unmittelbar nach der Grenze erstmal keine großartigen Veränderungen. In Flandern, also im Norden Belgiens, wo wir zuerst durchradelten, spricht man ebenfalls niederländisch. Der Süden hingegen ist französisch geprägt und es gibt sogar eine deutschsprachige Gemeinschaft im Osten des Landes.
Mittelalterlicher Charme
Die Landschaft Belgiens verströmte einen ganz eigenen Charme. Die Dörfer und Höfe an denen wir bald vorbeifuhren, waren viel rustikaler und es gab auch gefühlt mehr Landwirtschaft als in den Niederlanden. Außerhalb der größeren Städte trafen wir auch sehr oft auf Reiter.
Unser erstes Ziel war die Stadt Brügge. Je mehr wir uns dem Zentrum näherten, desto mehr veränderte sich auch die Architektur der Häuser und der Straßenbelag. Voll bepackt fuhren wir laut klappernd über das Kopfsteinpflaster. Gerade die vielen historischen Gebäude, die Gässchen und überhaupt der mittelalterliche Stadtkern verzauberten uns. Zwischendurch traf man immer mal wieder auf Wasserstraßen, die sog. Grachten. Der Belfried hat etwas mehr als 300 Stufen. Von der dortigen Aussichtsplattform aus hat man einen tollen Blick über Brügge.
Hagelslag & Spekulatiuscreme
Die Stadt ist schon längst kein Geheimtipp mehr und dementsprechend viele Touristen ertappten wir vor den vielen historischen Gebäuden beim Selfies schießen. Wir waren froh, dass wir wieder den Kontakt zu Einheimischen gefunden hatten. Ein wenig später trafen wir uns mit einem belgischen Pärchen, das wir über Warmshowers kennengelernt hatten. Dabei lauschten wir gespannt den Erfahrungen, die unser Gastgeber erst kürzlich beim Radreisen in Südamerika machte. Gleichzeitig sprachen wir natürlich auch über unsere bisher erlebten Situationen. Ja, das Radreisen ist schon ein richtiges Abenteuer! Es wird nie langweilig, man wird auch mal körperlich gefordert. Gleichzeitig wird man aber auch mit einzigartigen Erfahrungen, Momenten und besonderen Menschen belohnt!
Wir machten auch gleich eine neue kulinarische Erfahrung: Hagelslag & Spekulatiuscreme zum Frühstück. Wer sich nun unter ersterem ein donnerndes Gewitter mit Hagelkörnern vorstellt – sorry, das ist hier nicht mit Hagelslag gemeint. Wir kennen es als Schokostreusel, welche man gerne als Dekor für Kuchen oder Plätzchen verwendet. Hier wird es allerdings in rauen Mengen auf´s Butterbrot geschüttet. Zwar haben wir das Hagelslag-Phänomen ebenso in den Niederlanden beobachten können, irgendwie scheint man sich aber über den Ursprung (ob nun Belgien oder Niederlande) etwas uneinig zu sein. Bei der Spekulatiuscreme hingegen handelt es sich eindeutig um eine belgische Erfindung, wie wir uns erklären ließen. Die Belgier tunkten früher ihre Spekulatius-Kekse in Kaffee oder Tee, um sie dann besser auf´s Brot schmieren zu können. Klar, dass es bald auch einen Aufstrich geben würde. Wir fanden beide Varianten – Hagelslag und Spekulatiuscreme zum Frühstück zwar etwas ungewöhnlich, es schmeckt aber wirklich lecker! 😉
Herrlich verrückte Räder
Wir verließen Brügge und schlugen unseren Weg Richtung Gent ein. Nicht weit vor Gent entdeckten wir ein kurioses Museum, das wir uns natürlich näher ansehen mussten! Bloomers Gekke Fietsen Museum 🙂 Leider war es an dem Tag nicht offen, aber es standen viele Exemplare draußen vor der Tür. Jedes einzelne Teil war wahrlich ein Unikat und ausßergewöhnlich. Wir erspähten ein Grillbike, ein 6-Mann-Bier-Rad und vieles mehr. Super!
Das lies Erinnerungen aufleben… Dani schraubte schon immer sehr gerne. So bastelten wir beispielsweise vor dem Start unserer Fahrradweltreise uns selbst zwei Tallbikes und begleiteten die Jungs von RosencrimeBikeCrew beim Bau eines Lastenrades. Zuletzt verbrachten wir in Bamberg auch gerne unsere Zeit mit den Jungs und Mädels der Bicycle Liberation Front – Bamberg. Die Schrauberwerkstatt steht jedermann mittwochs ab 18 Uhr offen. Dort findet man auch so manch kurioses Gefährt. 😉
Unfreiwillige aber schöne verlängerte Pause
Wir haben unterwegs ein kleines Problemchen festgestellt, welches wir nun auch in Gent beheben lassen wollten. Dani´s SON funktionierte nicht mehr richtig, was zur Folge hatte, dass während der Fahrt nun kein Strom an die zu ladenden technischen Geräte abgegeben wurde. Blöd, dass wir sehr drauf angewiesen sind, da wir hauptsächlich mit unseren Geräten navigieren. Wir haben unterwegs nicht immer Zugang zu einer Steckdose, deswegen wollten wir so schnell wie möglich eine Lösung finden.
So kam es, dass wir uns im Casa de Ciclistas wiederfanden und mit dem netten Besitzer des Fahrradladens verzweifelt nach der Wurzel des Übels suchten. Alle Eventualitäten wurden durchgespielt. Das Vorderrad von Melli wurde auf Dani´s Rad montiert und weitere Tests gemacht. Keine Chance… Nur den SON auszutauschen wäre eine unheimliche Pfriemelarbeit gewesen. Dazu kam, dass unheimlich viel Zeit zum neu Einspeichen drauf gegangen wäre, die der Fahrradhändler leider nicht hatte.
Wir alle kamen zu dem Schluss, dass es das Beste sei, ein komplett neues Vorderrad einzubauen. Also telefonierten wir aus Gründen der Garantie mit Deutschland, um auf dem schnellsten Wege ein Rad geliefert zu bekommen. Dies bedeutete zwar ebenfalls, dass wir unseren Aufenthalt in Gent um einige Tage verlängern mussten, das war aber überhaupt nicht schlimm. Wir hatten uns gleich bei der Ankunft in Gent verliebt.
Hatte uns Brügge schon in seinen Bann gezogen, waren wir in Gent total aus dem Häuschen. Rückblickend würden wir sagen, empfanden wir die belgische Großstadt als eine der schönsten Städte bezogen auf kulturelle und architektonische Sehenswürdigkeiten in ganz Belgien. Man konnte sich stundenlang in Gent rumtreiben, ohne dass es einem langweilig wurde. Wir sind teilweise ganz ohne Stadtkarte oder festen Plan losgezogen und haben uns einfach treiben lassen. Hinter jeder Gasse fand sich ohnehin etwas Tolles zu entdecken. Natürlich konnte sich Melli auch nicht bei einer echten, frisch zappelnden und noch warmen belgischen Waffel zurückhalten. Köstlich!
Regen bringt zusammen
Mit neuem Vorderrad und bestens gelaunt verließen wir Gent und machten uns auf in Richtung Süden. Wir verließen den niederländischen Teil Belgiens und fuhren nun durch den französisch geprägten Teil. Wir folgten einer Route direkt am Wasser entlang und wechselten öfter die Seiten. Anstatt auf Brücken, trafen wir häufiger auf Fährmänner, die am Steg auf Passagiere warteten. Die Überfahrt war kostenlos, juhuu! Wir waren ganz überrascht, sind wir es doch gewohnt, dass man für jede noch so kurze Fahrt zur Kasse gebeten wurde. Auf den Schildern hieß es stets, dass die Boote halbstündlich fahren. Wir haben nicht auf die Uhr gesehen und sind anscheinend doch immer im richtigen Moment angekommen. Wir vermuten also, dass diese auch bei Bedarf einfach fahren. So kam es, dass wir an einem Tag sogar 3x das Vergnügen hatten Boot zu fahren.
Es fing wieder an zu regnen. Nichts Neues. Die vergangenen Wochen waren ja auch schon feucht fröhlich gewesen. Das Einzige, was etwas unangenehm war, ist der Versuch abends im Zelt die nassen Sachen irgendwie zu trocknen. Ja und da gab es noch eine andere Sache, die manchmal zu einer großen Herausforderung werden konnte: die Fahrbahn. In der Stadt ist es etwas ärgerlich, wenn man über nasses Kopfsteinpflaster fährt. Besonders gefährlich wird es dann bei Gleisen einer Straßenbahn. Nicht nur einmal sind wir beim schmuddeligen Wetter ausgerutscht. Auf dem Land erwarteten uns andere Überraschungen: aufgeweichte und schlammige Seitenstraßen, die in die Wälder führten. Mittlerweile konnten wir unsere Schiffchen ganz gut durch die mehr oder weniger tiefen Pfützen manövrieren und das Gleichgewicht halten. Eine zittrige Angelegenheit blieb es trotzdem.
Wir fuhren also mal wieder im Regen und waren zumindest an diesem Tag noch keine 2 Stunden im Sattel. Die Beine und Hände wurden schon langsam steif und die Motivation hatten wir nach der ersten Stunde schon leicht verloren. Dani fuhr voraus, Melli blieb ein wenig hinter dem letzten Hügel zurück. Plötzlich hielt ein Auto neben Dani an. Die Frau auf dem Beifahrersitz fragte, wo es denn hinginge. „Nach Japan“, war alles, was Dani rausbrachte. Wie sich herausstellte, war der Sohn des Paars im Auto momentan mit dem Fahrrad in den USA unterwegs. Er traf dort so viele hilfsbereite und nette Menschen, dass die Frau so glücklich war und nun auch uns helfen wollte. Wir fackelten nicht lange und nahmen sehr dankbar das Angebot an, einen Tee am Kamin zu trinken, eine warme Dusche zu nehmen und bei ihnen zu übernachten. Die Familie war so herzlich und fürsorglich, wir konnten gar nicht anders, als sie sofort in unser Herz zu schließen.
Wir pfeifen aus dem letzten Loch
Wir waren wieder frisch ausgeruht, das Zelt konnte trocknen und unsere Reise ging weiter. Es war sehr schön durch die vielen kleinen Wälder, dessen Bäume die bunten Farben des Herbstes annahmen, zu radeln. Und das Beste: Regenpause und von Gegenwind keine Spur. Allerdings wurde es nun noch hügeliger.
Wir erreichten Dinant und genossen erstmal auf einer Bank am Wasser den phänomenalen Ausblick auf die Brücke und die jahrhunderte alte Zitadelle. Hatten wir kurz zuvor noch ein paar tolle Fotos von der romantischen Stadt gemacht, erwartete uns in der nächsten Kurve der Gipfel der Quälerei. Es ging noch nie so dermaßen steil bergauf. Wie wir schweißüberströmt erkennen konnten, zeigte uns ein Schild eine Steigung von 15% an. Mit unserem Gepäck eine kleine Herausforderung. Relativ schnell stiegen wir ab und schoben die Räder, da wir uns nicht mehr im Sattel halten konnten. Wir pfiffen aus dem letzten Loch, nachdem wir eine Strecke von 1.000 Metern in sagenhaften 35 Minuten bewältigt hatten. Aber wie sagt man so schön: wo es bergauf geht, geht es auch wieder hinab. Der Fahrtwind tat richtig gut.
Lustig geht´s zu im Kloster
Wir bekamen den Tipp doch mal in einem Kloster anzufragen, ob wir für eine Nacht aufgenommen werden könnten. Die Idee wurde in die Tat umgesetzt, als wir an einem Benediktinerkloster vorbeikamen. Wir zeigten unsere Reiseräder und fragten erstmal, ob wir unser Zelt auf dem Grundstück aufstellen durften. Zuerst konnte die vorstehende Nonne nicht ganz so recht mit uns was anfangen. Sie wollte uns eigentlich in den nächst größeren Ort in ein Hotel schicken. Dann lenkte sie doch ein und telefonierte mit dem Oberhaupt des Klosters, der auch gleich auf uns zukam. Der Pater war sehr interessiert an unserer Reise. So ein Massel: nun bekamen wir nicht nur ein Zimmer und konnten duschen, wir sollten nun auch selbstverständlich am Essen abends teilnehmen und konnten am nächsten Tag frühstücken.
Im Gästehaus wartete schon die etwas fülligere Beatrice auf uns, die damit betraut wurde uns alles zu zeigen und den Rhythmus hier zu erklären. Sie sah so gar nicht aus, wie wir uns eine sittsame Nonne vorstellten. Sie war sehr herzlich, versprühte gute Laune und wir lachten lauthals über ihre Witze, die sie einem nach dem anderen zum Besten gab. Kurz vergaßen wir, dass wir uns auf Klostergrund befanden und normalerweise hier doch gottesfürchtige Stille herrschen musste?! Die hielten wir dann auf den Gängen gleich wieder ein. Wir nahmen erstmal eine wohltuende Dusche.
Wenige Stunden später gesellten wir uns dann zu den anderen Gästen in die Räume des Klosters, um zusammen das Abendessen einzunehmen. Wir unterhielten uns mit Niederländern und Belgiern, die hier zur Ruhe, Inspiration und Besinnung hergefunden hatten. Die Benediktinermönche und Nonnen fanden sich in separaten Räumen ein und wurden so von den Gästen getrennt. Ein Läuten verriet uns, dass es Zeit für das Gebet war. Durch einen Lautsprecher, der in unseren Raum verlegt wurde, hörten auch wir die Worte des Paters. Danach gab es Essen. Eine Frau verriet uns, dass sie die vorgetragene Litanei sehr schön und beruhigend fand. Dies noch umso mehr, gerade weil sie so gar nicht verstand, was eigentlich gesprochen wurde. Wir mussten wieder lachen.
Radler im Visier
Unsere Fahrt ging weiter und wir folgten mittlerweile seit einer geraumen Zeit der EuroVelo 5. Sie ist sehr gut ausgebaut und wunderschön zum Fahren. Wir beschlossen wenn möglich in Europa immer den EuroVelo´s zu folgen. Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu und wir hielten schon nach einem geeigneten Plätzchen zum Schlafen im Wald Ausschau. Wir hatten eine gut zugängliche Stelle gefunden, an der wir auch an frisches Wasser kamen. Perfekt! Das einzige war, dass die Bäume zu dicht standen, um unser Zelt auszubreiten. Kein Problem dachten wir, wir haben ja noch unsere Hängematten. 😉 Fix waren diese übereinander aufgehängt und das Tarp drüber aufgespannt.
Wir sind mittlerweile schon routiniert, was den Ablauf des Camp-Lebens und das schnelle Zusammenpacken vor der Weiterfahrt betrifft. Morgens 7:30 Uhr aufstehen; Kocher anfeuern, die am Abend zuvor vorbereiteten trockenen Zutaten für das Porridge mit dem Wasser mischen, währenddessen das frische Obst schneiden; abspülen; Rückbau; Müll einsammeln und Abfahrt.
Melli reinigte gerade unsere Teller und das Besteck, als ein Jeep vorbeifuhr und gleich darauf den Rückwärtsgang einlegte. Es war noch dunkel und der Wagen hielt nun so, dass die Scheinwerfer genau auf sie gerichtet waren. Es dauerte eine gefühlte Minute, bis der gute Mann ausstieg und auf sie zukam. Er fragte, ob wir dort drüben campen würden. Melli schaute auf die Teller in der Hand, dann wieder auf den Mann – Ja. Der Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes wurde freundlich. Er erklärte, dass er in einer guten Stunde anfangen würde zu jagen. Hui, da hatten wir nochmal Glück gehabt! Wir zogen schnell wieder unsere bunten Warnwesten an und machten uns aus dem Staub, um nicht ausversehen ins Visier zu geraten. 🙂
Wie findest du Belgien?
Schon mal durch Belgien geradelt oder andere Erfahrungen in unserem Nachbarland gemacht? Kennst du weitere lustige Dinge, die man sich auf´s Brot schmieren kann?
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Melli & Dani
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